Es war mal wieder spät geworden. Ein typischer Tag im Schoesch am Ende einer Projektwoche – Griechenland! Waren es nun die kontroversen Diskussionen über die aktuelle Lage, die Lesungen des deutsch-griechischen Literaturzirkels, der Vortrag über die Besetzung Griechenlands 1941-1944 durch die Nazis, die griechische Band, die das Zentrum mit ihrem Smyrna-Sound rockte, oder die griechische Küche im CafeRestaurant des Zentrums – Lena konnte sich nicht entscheiden, was ihr am besten gefallen hat. Es war wohl die Angebotsvielfalt und die lebendige Atmosphäre im Zentrum.
Die Projektwoche fand nicht nur großes Interesse bei Anwohnern – auch Besucher aus anderen Bezirken zog das Thema an. So war das Zentrum die ganze Woche gut besucht. Besonderer Hit – und da waren sich alle Besucher einig – waren die eigens für diese Woche angebotenen griechischen Speisen und Getränke, die an einer großen Tafel im CafeRestaurant ,,Schoeler“ serviert wurden. Florentine, Flo genannt, die Küchenchefin, hatte wieder einmal Gerichte gezaubert, die einen Stern verdient hätten – und noch einen zweiten für die moderaten Preise.
Lena war gespannt auf die Nachbetrachtung des von ihr geleiteten Teams und der ehrenamtlichen Helfer. War es doch die erste von ihr geplante Projektwoche nach ihrer Einstellung als Geschäftsführerin. Was war gut, was schlecht, was muss besser werden, weitere Programmplanung und Personaleinsatzplan – das sind die Themen, die heute besprochen werden, denn montags ist Teamtag, und das Zentrum ist bis auf das „Schoeler“ geschlossen.
Flo, die nach Wanderjahren durch die Küchen der Welt in Berlin hängen blieb – der Liebe wegen, sagt sie, aber sicher auch, weil sie im ,,Schoeler“ ihre Vision von multikulturellem Kochen umsetzen kann. Dafür hat sie noch eine Zusatzausbildung vegetarisches und veganes Kochen abgeschlossen und ist fit im Anbau von Gemüse und Kräutern. An der Speisekarte vom ,,Schoeler“, wird ihre Vision deutlich: Speisen und Getränke total regional, fairtrade – Wilmersdorf ist ja schließlich fairtradecity – bio und sozial. Sie versteht ihre Küche als Teil des soziokulturellen Programms des Schoesch. Sie ist Mitglied bei der Initiative ,,Essbare Stadt“.
18.00 Uhr, das ,,Schoeler“ kaum geöffnet, kehren Mütter und Väter mit Ihren Kids ein, um nach einem anstrengenden Tag auf den Spielplätzen im Volkspark einen dieser erfrischenden Smoothies zu trinken, die Flo mit Mangold, Melde, Sauerampfer und Wildkräutern – natürlich naturbelassen – aus dem Schoelergarten herstellt. Dann kommt noch Bruno mit seinen Schachfreunden, die das ,,Schoeler“ gerne aufsuchen, da sie ohne Verzehrzwang über ihre Spielstrategien diskutieren können.
Heute ist, wie jeden Montag, Restetag. Am „Nix-Tonne-Tag“ – wie ihn Flo nennt – werden für 4 Euro veredelte Reste der Vorwoche mit ungewöhnlichen Geschmacksvarianten angeboten. Meist sind an den Montagabenden im ,,Schoeler“ alle 40 Plätze mehrmals besetzt. Großkampftag für Mathematikstudentin Susanna, die heute kellnert und die alle Suse nennen. Die Frau mit dem phänomenalen Gedächtnis. Ganz ohne Bestellblock nimmt sie die speziellsten und umfangreichsten Bestellungen der Gäste auf und gibt sie aus dem Gedächtnis fehlerfrei an die Küche weiter. Deshalb wird sie von den Gästen oft auch Zuse genannte, nach dem Wilmersdorfer Erfinder des Computers. Sie teilt sich den Studentenjob mit Kommilitone Simon, der morgen wieder Dienst hat.
Müde und erleichtert war Lena wieder die Letzte, die das Zentrum abschloss. Das Team war sich einig, trotz einiger Kritik, die erste Projektwoche war auch finanziell ein voller Erfolg. Das macht Mut auf eine weitere im Herbst – vielleicht zu „Europa“! Jetzt freut sie sich wieder auf morgen, das ,,normale“ Soziokulturelle Programm im Schoesch.
Rainer Wittek
Die fiktive Geschichte wird fortgesetzt